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Textbeiträge
Auf dieser Seite wollen wir Beiträge veröffentlichen,
nicht nur von uns, sondern auch Texte, die wir gerne weiter verbreiten
möchten. Falls Ihr Vorschläge für diese Seite habt, nehmen
wir sie gerne entgegen:
Interview von "Dona Carmen" mit uns für
die Zeitschrift "Muchacha" 2003:
Frage: Was hat Euch dazu veranlaßt, einen Film
über illegalisierte Prostitutionsmigrantinnen und ihre Arbeits- und
Lebensbedingungen zu machen?
l.o.: Vor diesem Film haben wir schon 2 andere Filme
gemacht zur Situation von Frauen, die hier ohne Papiere leben - und kämpfen.
Die Gruppe Mucolade sprach uns ans, ob wir nicht einen Film über
"Sexarbeiterinnen ohne Papiere" machen möchten weil dies
ja neben Hausarbeit quasi DIE Alternative ist, die Frauen hier haben,
wenn sie in Deutschland arbeiten wollen. Mucolade (Mujeres contra la deportation)
das ist eine Gruppe spanisch sprechender Frauen, die präventive Arbeit
leistet, um zu verhindern, daß migrierte Frauen, die in der Sexindustrie
arbeiten, im Abschiebeknast landen.
Wir, die Frauen aus dem FLFC arbeiten alle seit Jahren in Gruppen, die
antirassistisch orientierte feministische Arbeit machen. Für uns
ist die Frage, wie offen diese Gesellschaft gegenüber Migrantinnen
ist sehr wichtig -sowohl persönlich wie politisch. Wir finden es
unerträglich, daß vielen Menschen das Existenzrecht hier abgesprochen
wird, und das, wo die von hier betriebene Globalisierung immer weitere
Zerstörung und Kriege hervorbringen. Viele Zerstörungen, Armut
und schlechten Lebensbedingungen in vielen Ländern und anderen Kontinenten
sind eh schon Folgen von Kolonialisierung und Ausplünderung. Jetzt
werden die Gewalttätigkeiten im Inneren dess Nordens fortgesetzt,
die Menschen ausgegrenzt oder aussortiert nach ökonomischer Verwertbarkeit.
Das sind Strukturen, die sich gegen ein menschliches, von Wärme,
sozialen Nähen und Mitgefühl getragenes Leben richten. Deswegen
ist es unser Wunsch, mit vielen Migrantinnen zusammen diesen gesellschaftlichen
Gewaltstrukturen etwas entgegenzuetzen. Unsere Filme sollen dabei ein
Mittel sein, die gesellschaftliche Diskussion anzuregen.
Es wurde deutlich, dass die Sexarbeiterinnen ein großes Interesse
daran hatten, über ihre Situation zu erzählten. Am Anfang dieses
Projekt waren wir sehr unsicher, ob wir diesen Film tatsächlich machen
sollen. Wir selbst hatten zunächst keinen Kontakt zu den Sexarbeiterinnen
und wir findenes problematisch, einen Fim über andere zu machen,
solange sich das nicht aus einer Beziehung ergibt. Die sehr intensiven
und bewegenden Gespräche und Begegnungen mit den Protagonistinnen
führten bei uns nach und nach zu der Entscheidung, den Film schließlich
doch zu machen. Es wurde deutlich, daß die Sexarbeiterinnen ein
großes Interesse daran hatten, über ihre Situation zu sprechen
und sie öffentlich sichtbar zu machen.
Prostitution ist ein Thema, das in der antirassitischen und feministischen
Diskussion weitgehend ausgeblendet ist. Oft wird bei dem Thema Prostitution
und Migration ausschließlich an Frauenhandel gedacht. Aber es ist
nicht so, dass alle Migrantinnen, die hier in der Prostition arbeiten,
Opfer von Menschenhändlern, Schleppern und Zuhältern sind. Ihre
Situation ist trotzdem sehr schlecht, weil ihnen jegliche Rechet vorenthalten
werden. Im Laufe der Arbeit wurde uns klar, daß illegalisierte Prostitionsmigrantinnen
gesellschaftlich doppelt unsichtbar gemacht werden, einmal als Migrantinnen,
die einen rechtlosen Status haben, zum andern durch die gesellschaftliche
Ächtung von Prostitution. Mit dem Video wollten wir versuchen, diese
doppelte Ausgrenzung ein Stück weit zu durchbrechen.
Frage: Wie lange habt Ihr an diesem Projekt gearbeitet
und mit welchen Schwierigkeiten hattet Ihr zu kämpfen?
l.o.: Wir haben an dem Projekt 2 Jahre gearbeitet. Daß dies so lange
gedauert hat, dafür gibt es viele Gründe. Zum einen war es unsere
Zögerlichkeit am Anfang, ein Film über Menschen zu machen, mit
denen wir im Alltag nichts zu tun haben. Dann wohnen die meisten Protagonistinnen
unseres Films in verschiedenen Städten, so daß wir immer anreisen
mußten zu den Interviews, wobei die vereinbarten Termine nicht immer
klappten wegen Arbeit oder veränderter Situation. Von einigen, die
sehr lebendig und interessant über ihre Erfahrungen gesprochen haben,
gab es keine verwertbaren Bilder, da ihre Gesichter nicht zu sehen sein
durften, und die Worte ohne Personen nichts von dem rüberbrachten.
Einzelne Frauen sind während der Filmerstellung weggezogen und waren
für uns nicht mehr erreichbar, so daß wir mit ihnen nicht nachdrehen
konnten. Wir haben uns lange bemüht, Frauen aus anderen Ländern
in unseren Film mit aufzunehmen, v.a. Frauen aus Osteuropa. Leider haben
wir keine einzige gefunden, die sich vorstellen konnte in einem Film -
und sei es auch nur mit dem Ton - von sich zu erzählen. Eine große
Schwierigkeit war die Sprache. Nur eine einzige von uns beherrscht spanisch,
und so blieb alle Arbeit an ihr hängen, von der Transkription der
Interviews bis zu den Übersetzungen, was sehr sehr zeitaufwendig
ist und alleine ein halbes Jahr in Anspruch genommen hat. Und zudem "arbeiten"
wir ja alle ohne Geld für diese Videos, was heißt, dass wir
allein unserer "Freizeit" machen, nach der Lohnarbeit und am
Wochenende.
Frage. Haben sich Eure Vorstellungen über Prostitutionsmigrantinnen
im Verlaufe der Arbeit an Eurem Film verändert?
l.o.:Ich glaube, wir hatten keine genaue Vorstellung von Frauen und Transsexuellen
in der Sexarbeit, auch von Prostitution überhaupt. Wenn auch nicht
bewußt, so sind wir vielleicht davon ausgegangen, daß alle
Migranntinnen in der Sexarbeit lieber etwas anderes arbeiten würden,
wenn sie nur die Möglichkeit dazu hätten. Diese Vorstellung
hat sich geändert. Für viele stimmt das, andere aber ziehen
den Beruf anderen Arbeiten vor. Uns war auch vorher nicht klar, dass Sexarbeit
ein so großer Arbeitsbereich in dieser Gesellschaft ist.
Was uns auf jeden Fall immer sehr beeindruckt hat, war die Stärke,
die Lebendigkeit, das Selbstbewußtsein der Frauen, mit denen wir
zusammen getroffen sind. Vielleicht haben wir mehr Opferhaltung erwartet?
Antipatriachales Netz /Ariane Brenssell
I. Kriegszustand - Normalzustand
"Krieg besteht nicht nur in tatsächlichen Kampfhandlungen, sondern
in einem Zeitraum - das ist der Kriegszustand ... Der Zeitraum bezeichnet
also den Zustand und nicht die Schlacht". Es reicht nicht, zu analysieren,
warum gerade in welchem Land Bomben fallen und welche Paramilitärs
soziale Strukturen niedermetzeln, wer die grössten Kriegsgeschäfte
tätigt und welche Militärhaushalte ausgebaut werden. Der Frieden
hier ist Teil des Kriegszustandes - und eben nicht seine Auflösung.
Krieg beginnt nicht mit dem Griff zu den Waffen. Er wird in der Normalität
bereitet: In strukturellen und alltäglichen Polarisierungen, Ungleichheiten
und Ausschlüssen; in medialen und politischen Diskursen; in den persönlichen
Denkweisen, die die eigene Normalität als einzige und einzig richtige
Wirklichkeit sehen, in der Ausblendung und Verleugnung anderer Wirklichkeiten.
Rassismen, Sexismen , das Prinzip der Überlegenheit über andere
- Normalzustand? Wir sehen in den ganz normalen patriarchalen Geschlechter/Verhältnissen
eine Basis für Militarisierung und Krieg. Die systematische Nichtbenennung
begreifen wir als Reproduktion von Herrschaft.
II. Viele neue Kriege - immer
zwei Geschlechter
Ob Low-Intensity Kriege in Lateinamerika, ob der globale Krieg um Hegemonie
unterm Etikett Krieg gegen Terror, ob Kriege in ethnisierter Form, wie
beispielsweise im ehemaligen Jugoslawien, so unterschiedlich die neuen
Kriege sind, sie alle haben eine wesentliche, kaum wahrgenommene Realität:
sie nutzen patriarchale Geschlechterverhältnisse und sie stellen
sie her. In allen Kriegen
sind Vergewaltigungen Kriegssystem. Überall dort, wo Verhältnisse
militarisiert werden, verschärfen sich noch einmal polarisierte Geschlechterbilder
und -hierarchien: Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigungen, Prostitution,
Frauenhandel und Frauenverachtung nehmen zu. Der Irak-Krieg, der als beendet
gilt, hat aus dem Land eine "No-woman-zone" gemacht: 80 % der
Mädchen gehen
nicht mehr in die Schule aus Angst vor Gewalt, Vergewaltigungen und Entführung;
Frauen und Mädchen werden verkauft und ermordet. Die us-amerikanische
Besatzungsmacht im Irak ignoriert dies nicht nur, sie fördert dies:
Trotz des Wissens darum, arbeitet sie mit frauenverachtenden politischen
Gruppen und Stammesführern gezielt zusammen, um ihr Macht zu festigen:
"Der Preis
dafür ist die Freiheit der Frauen" Das funktioniert weil Frauen
strukturell zum Schweigen gebracht sind. Doch es geht nicht allein um
Frauen. Krieg und Kriegsdiskurse bauen auf der Ausblendung und Verleugnung
von Wirklichkeiten und anderen Möglichkeiten auf. Dies z.B. durch
Schaffung polarisierter Geschlechtercodes und -realitäten.
III. Patriachale Geschlechterverhältnisse
machen Sinn: für Kriege, im globalen Neoliberalismus
Es ist kein unerwünschter Nebeneffekt, wenn Frauen im Irak nicht
mehr auf die Strasse gehen können. Geschlechter-Polarisierungen und
-hierarchien sind Gleitmittel für die Transformation zu Gewalt und
Militarisierung. Zum Beispiel in folgenden Hinsichten:
· Kriege zielen auf die Herstellung, Restauration und auf die Kontrolle
von Ungleichheiten. "Sexuelle Gewalt und geschlechtsspezifische Repression
gegen Frauen ist ein konstitutives Element zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung
einer auf Autoritarismus, Gewalt, Kontrolle und Exklusion
basierenden lokalen Ordnung."
· Geschlechtsspezifische Arbeitststeilungen und die damit einhergehenden
gesellschaftlichen Bewertungen tragen dafür Sorge, dass die Reproduktion
unsichtbar erledigt wird. Damit sind wichtige Voraussetzungen für
den Wahnsinn der Profit- und Kriegsmaschinerie bereitgestellt, ohne dass
sie an den Entscheidenden Stellen zählen.
· Die Naturalisierung von Zweigeschlechtlichkeit garantiert, dass
jederzeit komplementäre Männlichkeiten und Weiblichkeiten aufgerufen
werden können. Als Bilder, als Selbstentwürfe sind diese wesentliche
Faktoren für die Mobilisierung zu und für die Legitimierung
von Krieg, Militarisierung und Gewaltanwendung: Ob die Befreiung der Frauen
in Afghanistan, ob die inszenierte Befreiung einer US-Soldatin durch männliche
US-Soldaten im Irak-Krieg, zuverlässig
kann auf Geschlechterstereotype zurückgegriffen werden.
IV. Privatsachen, unpolitisch
Linke Antikriegspolitik diskutiert Geschlechterverhältnisse - wenn
überhaupt - lediglich als Exzess, als Kriegsfolge, als Nebeneffekt
und macht sie so zur Frauensache. Dies sind sie nicht. Mit dem Schweigen
über die Geschlechterverhältnisse - und das meint auch das geschlechtsneutrale
Reden
über geschlechtsspezifische Verhältnisse - verschwinden nicht
nur die Frauen aus dem Bild, sondern ganze gesellschaftliche Bereiche
und Fragen fallen damit aus der Skala der politischen Wichtig- und Wertigkeiten.
Die Frage nach dem Alltag zum Beispiel wird systematisch ausgeblendet.
Die Frage danach, wie Menschen (vielfach Frauen) das Leben und die Reproduktion
in einem sozial und ökologisch zerstörten Land organisieren,
hat wenig spektakuläres. Privatsache, unpolitisch. Auch der Kriegsbegriff
der Linken reproduziert mit dem Fokus aufs Militärische - Bomber,
Bomben, Soldaten, Kämpfe, Kriegsgeschäfte, Militärhaushalte
- diese Wertigkeiten und Koordinaten . So wird eine Normalität fortgeschrieben,
in der die Herstellung patriarchaler Geschlechterverhältnisse
als zentrales Moment des Kriegszustands unsichtbar und unfassbar bleibt.
V. Radikal gegen jeden Krieg: Revolutionieren wir unsere
eigene Lebensweise
Was heisst es, den feinen Momenten der Herstellung
des Kriegszustandes auch hierzulande Beachtung zu schenken?
· Sozialkürzungen - Konkurrenz - Existenzängste: Was
bedeutet es, in einer Gesellschaft zu leben, in der die eigenen Handlungsmöglichkeiten
strukturell und konkret immer mehr auf der individuellen Überlegenheit
über andere basieren? Was macht das mit den Sinngebungen und Lebensentwürfen?
Was macht das mit den Hoffnungen und Fantasien, mit unseren sozialen und
politischen Bezügen?
· Kein Blut für Öl! - Kein Blut für Handys ? Was
bedeutet es, in einem Überentwicklungsland zu leben, in dem die Lebensweise
auf dem Zugriff und auf der Kontrolle der Ressourcen anderswo basieren?
Dass konkrete Geschlechter- und Lebensverhältnisse oftmals aus dem
Antikriegswiderstand ausgespart bleiben, hat sicher auch den Grund, dass
sie nahe gehen: nah an die eigene politische Substanz, nah an das eigene
Leben, an die individuellen (vergeschlechtlichten) Selbstverständnisse
und Gewissheiten. Wenn wir Ängste, Konkurrenz, persönliche Überlebensstrategien
nicht individualisieren, sondern als Ausdruck des Kriegszustands im Globalen
Norden fassen, wie würde sich Widerstand gegen Krieg dann auch als
Prozess mit- und
untereinander gestalten? Wir wünschen uns, dass solche Auseinandersetzungen
Teil des
Antikriegswiderstands werden, wir sehen darin eine Radikalisierung. Wagen
wir uns aus alten Formen hinaus an neue Fragen und Utopien heran.
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